«Ein Neubau wäre besser und gefälliger»
| |Überraschungen an der Budget-Gemeindeversammlung: auf den Projektierungskredit zur Sanierung des Gemeindehauses trat die Versammlung gar nicht ein und die Einführung einer Infrastrukturgebühr wurde abgewiesen. Der Kredit offene Jugendarbeit dagegen passierte deutlich.
Urs huber
Aussenstehende hätten meinen können, das erste Traktandum der Kappeler Budget-Gemeindedeversammlung von Mittwochabend, die «Genehmigung Änderung Abfallreglement und der dazugehörigen Tarifordnung» würde höchstens zehn Minuten dauern: Nicht so die Insider. Die Behandlung des Geschäfts dauerte gute 50 Minuten, denn im Grunde beinhaltete die besagte Änderung ein Abweichen vom Grundsatz des einst beschlossenen Verursacherprinzips im Kehrichtwesen. Der Änderungsvorschlag beinhaltete neben der üblichen Abgabe für gebührenpflichtige Abfallsäcke einen sogenannten Infrastrukturbetrag von 50 Franken pro Wohnung und Jahr. Eine Idee, die Anton Ulrich als Vertreter der Energie- und Umweltschutzkommission vertrat.
Verursacherprinzip stützen
Allerdings stiess er mit dem erarbeiteten Vorschlag auf erstaunlich wenig Gegenliebe. Karl Wellinger als Sprecher der Oppositionsfront versuchte, die reine Kostenabwälzung über die Kehrichtsäcke beliebt zu machen. Sein Antrag wurde auch von Stefan Meyer und Christoph Bader gestützt. Lorenz Studer, der in Kappel für die Grüngutentsorgung privatwirtschaftlich verantwortlich zeichnet, meldete sich ebenfalls zu Wort und forderte, bei Annahme der gemeinderätlichen Vorlage anteilsmässig ebenfalls in den Genuss dieser Infrastrukturgebühr zu kommen, um mögliche Vergünstigungen an seine Kundschaft weitergeben zu können. Ein Ansinnen, welches Gemeindepräsident Martin Wyss mit der Bemerkung negierte, das seien zwei verschiedene paar Schuhe. Er, Studer, könne hier und jetzt keinen Antrag stellen, worauf der Grüngutentsorger klein bei gab.
In der Abstimmung unterlag der gemeinderätliche Vorschlag überraschend deutlich; 29 Stimmen entfielen auf den Antrag Wellinger, lediglich 12 votierten für den Antrag des Rates. 18 Anwesende enthielten sich der Stimme. Damit war der Rat ein erstes Mal zurückgebunden worden.
Projektierungskredit: kein Eintreten
Auch bei den speziell zur Abstimmung gelangenden Investitionskrediten gab es eine Überraschung. Auf Antrag von alt Gemeindepräsident Viktor Ritter trat die Versammlung mit 26 zu 23 Stimmen nämlich gar nicht erst auf das Geschäft «Projektierungskredit Sanierung Gemeindehaus» ein. Das ehemalige Schulhaus aus dem Jahre 1874, 1989 vollends zum Gemeindehaus mutiert, sollte demnach mit einer Sanierung bautechnisch und infrastrukturell wieder auf Neuzeit getrimmt werden. Für Ritter ein zu teures Unterfangen für ein ungeeignetes Objekt. Auch die Höhe des beantragten Projektierungskredites von 200 000 Franken behagte nicht, seien doch schon rund 24 000 Franken im Vorfeld des Kreditbegehrens ausgegeben worden. Stattdessen schlug er vor, einen Neubau ins Auge zu fassen: der wäre besser und gefälliger. Das Gemeindehaus sei mit seinem mittigen Treppenaufgang bautechnisch ungünstig, nur teilweise unterkellert und für lichte Räume mit einer zu geringen Raumhöhe ausgestattet. Martin Wyss kam schier noch ein bisschen in Fahrt und bezeichnete den bestehenden Bau als Herausforderung für die zum Wettbewerb aufgerufenen Kappeler Architekten; es reize die Spannung zwischen dem Alten und der Moderne. Allein, die Argumentationskette verfing nicht und so wurde der Rat ein weiteres Mal zurückgebunden.
Kredit für offene Jugendarbeit – ok
Auch hoch her gings beim Kredit um die Erstellung eines Konzepts offene Jugendarbeit in Kappel. Während die einen von einem vorliegenden Bedürfnisnachweis überzeugt schienen und den Kredit in Höhe von 60 000 Franken sprechen wollten, outetet sich Martin Wyss als beherzter Gegener, der aus seinem Herzen keine Mördergrube machte und seine Bedenken unverhohlen ausdrückte. «Auch wenn der Kredit gesprochen wird; das Geld ist noch nicht ausgegeben», meinte er polternd. Seiner Ansicht nach gebe es in Kappel kein Jugendproblem. «Mir fehlt ein deutlicher, klarer Bedürnisnachweis.» Diese Äusserungen brachte wiederum Viktor Ritter in Fahrt, der dem Vorsitzenden mangelndes staatsmännisches Verhalten attestierte. Ritter lieferte dann noch ein Raummanagement hinterher und führte an, im Fall eines Gemeindehausneubaus könne das alte durchaus Vereinen, Interessengruppen und der Jugend zur Verfügung gestellt werden. Arthur Deiss, der das Eintretensreferat gehalten hatte, dankte Ritter für die Weitsicht und meinte: «So weit haben wir nicht zu denken gewagt.» Mit 32 zu 13 Stimmen folgte die Versammlung dem gemeinderätlichen Antrag.
Die beiden Kreditbegehren Wasserleitung Dachsmatt und Kanalisation Lischmatt-Dachsmatt wurden oppositionslos genehmigt. Ebenso oppositionslos wie das Budget, welches wiederum positiv abschliesst. Das abschliessende Wort in Sachen Finanzen hatte Martin Fessler, Präsident der Finanzkommission, der den Voranschlag grundsätzlich zur Gutheissung empfahl, aber auf mangelnde Transparenz, mangelnde Finanzplanung, ein gehäuftes Auftreten von bewilligten, aber nicht ausgeführten Investitionen und auf die noch immer fehlende Überarbeitung der Dienst- und Gehaltsordnung hinwies.
Gemeindehaus Ob das Schulhaus aus dem Jahre 1874 noch lange Zeit als Verwaltungsgebäude dient, ist nach der gestrigen Gemeindeversammlung fraglich.