Den zu leichten Athleten gibt es nicht mehr
| |Die FIS ist bestrebt, der seit Jahren schwelenden Diskussion um abgemagerte Skispringer auf diese Saison hin ein Ende zu setzen. Mit Hilfe einer auf dem Body Mass Index (BMI) basierenden Regel stehen die Chancen gut, dieses imageschädigende Thema zu verdrängen.
Die neue Vorgabe, die dem ungesunden Treiben auf den Schanzen Einhalt gebieten soll, lässt sich am Beispiel von Andreas Küttel erklären. Als Ausgangspunkt dient seine Körpergrösse von 1,82 m. Diese erlaubt ihm den Gebrauch von Latten mit maximal 2,66 m (146 Prozent der Körpergrösse). Im Gegensatz zu früher darf er dieses Mass nur benutzen, sofern er das Gewicht von 66 kg (inkl. Teile der Ausrüstung) nicht unterschreitet.
Die 66 kg leiten sich aus dem BMI ab. Dieser Index wird errechnet aus dem Körpergewicht, geteilt durch die Grösse im Quadrat. Verlangt wird ein Wert von mindestens 18,5, was gemäss Weltgesundheitsorganisation gerade noch nicht als leistungsminderndes Untergewicht bezeichnet wird. Für Küttel liegt dieser Wert bei knapp 62 kg (1,82 im Quadrat mal 18,5). Da sich der Einsiedler nach dem Sprung aber mit Anzug undSchuhen(aber ohne Ski und Helm) auf die Waage zu stellen hat, werden pauschal 4 kg addiert.
Allerdings besteht kein Zwang, dass der Zeiger bei Küttel bis 66 kg ausschlägt. Wählt er um 4 cm kürzere Ski, werden noch 65 kg verlangt, für 63 kg wären noch 2,58 m lange Ski erlaubt. Die Idee: Durch die schlechteren Flugeigenschaften wegen geringerer Tragfläche wird der Vorteil von fehlenden Kilogramms mehr als kompensiert. «Kürzere Ski sind insgesamt ein Nachteil», bestätigt auch der Schweizer Disziplinenchef Gary Furrer, der sich auf Messungen seines Teams im Windkanal beruft.
Mit einiger Spitzfindigkeit lässt sich nun argumentieren, dass gemäss Reglement zu leichte Athleten gar nicht mehr auftauchen können. Wer beim Wägen durchfällt, wird aufgrund zu langer Ski und nicht wegen Untergewicht disqualifiziert.
Die FIS hat sich zum Ziel gesetzt, pro Weltcup-Anlass jeden Athleten mindestens einmal zu testen. Die Kandidaten werden nicht ausgelost, sondern im Voraus bestimmt. Falls Küttel zur Kontrolle muss, stellt er sich zuerst auf die Waage. Werden die 66 kg nicht erreicht, wird überprüft, ob die Skilänge angepasst wurde. Das Gewicht wird nicht publik gemacht, die FIS kommuniziert offiziell bloss die Disqualifikationen. Ob ein Sieger nun gekürzte Latten in Kauf genommen hat, wird man kaum erfahren.
Aus dem Schweizer Lager wird recht offen kommuniziert. Bei Marco Steinauer und Michael Möllinger macht es aufgrund ihrer Statur gar keinen Sinn, das Gewicht auf den geringstmöglichen Wert hinunterzudrücken. Für sie gilt ein eigenes Idealgewicht. Doppel- Olympiasieger Ammann legte einige Kilos an Muskelmasse zu, Küttel liegt mit seinen Massen der letzten Saison nun im Idealbereich. Prinzipiell wird versucht, die aufgrund der Grösse erlaubte Maximallänge zu springen.
Furrer verneint Spekulationen, wonach nun eine riesige Materialschlacht ausgebrochen sei, um für jeden Fall gewappnet zu sein. «Das Gewicht der Athleten ist ziemlich konstant». Und sollte einer beispielsweise wegen Erkrankung rapid an Gewicht verlieren, sei es ohnehin nicht sinnvoll, ihn über den Bakken zu lassen. «Wichtig war, die Sache frühzeitig anzupacken.»
Somit bliebt die Hoffnung, dass nach der Anzugsdiskussion 2002 und der stets aufflackernden Gewichtsdebatte nun wieder vermehrt die sportliche Leistung im Vordergrund steht. Oder kommt es doch anders? Im Bestreben, möglichst in allen Bereichen ans Optimum vorzustossen und das Reglement in allen Punkten auszureizen, wird weiterhin in sämtlichen Sparten gepröbelt, getüftelt und getestet. Nach den ersten Springen wird man mehr wissen.
In Kusamo (Fin), wo heute der erste Wettkampf der Saison stattfinden soll, spielt das Wetter den Veranstaltern bisher einen Strich durch die Rechnung: Gestern mussten, wegen zu starkem Wind, Training und Qualifikation abgesagt werden.
«Kürzere Ski sind insgesamt ein Nachteil»
Tests Auch Doppel-Olympiasieger Simon Ammann wird sich in dieser Saison dem Gewicht- und Skilängen-Test stellen müssen.